Blick ins Innenleben einer Muscialproduktion

Als im Februar 2019 die Plakate für das Casting einer High School Musical-Produktion am SMG ausgehängt wurden, begannen die Herzen der Musical-Fans höher zu schlagen. Die Nervosität war groß und passende Texte, Lieder und Vortragspartner wurden gesucht. Die Vorstellung, Teil eines der schönsten Musicals sein zu können, auf der Bühne zu stehen und alles zu geben, war sowohl beängstigend als auch wunderschön. Nach der ersten Musical-Fahrt nach Kaub schien der Traum zum ersten Mal realitätsnah zu werden. Die Qual der Wahl war groß und die Lehrer*innen mussten sich die Köpfe zerbrechen und schwere Entscheidungen treffen, um die bestmögliche Zuteilung der Rollen zu ermöglichen.

Die erste Runde der Probenzeit begann. Im Herbst standen einige zum ersten Mal als angehende Schauspieler*innen auf der Bühne der Aula. Die meisten kannten sich nur vom Sehen in der Schule oder aus dem Chor. Lasst es uns so ausdrücken – es war unangenehm. Alle waren noch total in sich gefangen und als wir verrückte Übungen zur Lockerung unserer vor Angst versteiften Körper machen sollten, wurde es allen so richtig peinlich. Doch Maren Herfurth, unsere erfahrene Theaterlehrerin, wusste damit umzugehen. Ihre gekonnte Art, uns aus der Reserve zu locken und uns dazu zu bringen, aus uns herauszukommen, um zu zeigen, was wirklich in uns steckt, begeisterte uns alle. Einige Darsteller würde man rückblickend nicht wiedererkennen.

Nun zum Eingemachten: Das Schauspielern war schon schwer…, aber dabei noch zu tanzen, immer an der richtigen Stelle auf der Bühne zu stehen und zu singen, war dann nochmals ein anderes Level… Wir haben natürlich nicht alles gleichzeitig erlernt, denn das wäre quasi unmöglich.

Wir hatten die Ehre, ab Herbst mit Matthias Heucher – im Cast liebevoll Heuchi genannt – die verschiedenen Stimmen, Texte und Melodien zu erlernen. Der anfängliche Unmut darüber, dass alle Lieder auf Deutsch gesungen werden mussten, verflog schnell, als die Magie der Melodie und des Stücks uns mitriss.

Die fantastische Band, die so hervorragend spielte, dass viele Zuschauer anfangs dachten, die Musik käme vom Band, probte schon lange vor den Sängern und Chormitgliedern. Unsere Band wurde von niemand anderem als Olaf Stavenhagen – ehrfürchtig Big O genannt – geleitet. Die Tanzchoreographien erlernten wir mit tatkräftiger Unterstützung von Katrin Engel, Lydia Engel und anderen.

In unseren Proben durften natürlich auch niemals Viktoria Gemmel und Georg Heucher fehlen. Vicky hatte jegliche Requisiten, Bühnen Auf- und Abgänge und Zusatzinformationen im Kopf. Vom Kuchen für Sharpay über die Chemie zwischen zwei Charakteren, die nicht in dieser Art zusammen auf der Bühne stehen sollten, bis hin zu unseren Go Musical T-Shirts und dem Spind hatte sie alles im Blick.

Georg Heucher… das ist eine Sache für sich. Wenn man versuchen würde, Georg Heucher in eine Box zu packen, würde man hochgradig scheitern. Georg, der als Teil der Regie in die Produktion eingestiegen war, kam als wahrer Star der Show hervor. Ob es um die fantastische Lichtshow, irgendeine Choreo oder Textstelle, Organisation von jeglichen Aspekten der Show, Feedback oder einfach ein persönliches Gespräch ging… Georg war der richtige Ansprechpartner und wusste immer Rat.

Nun war es schon Februar. In knapp zwei Monaten sollte die Show auf die Bühne und wir hatten quasi beide Akte noch nie ganz gespielt. Ab ging’s zur zweiten und richtigen Musical-Fahrt. Diesmal mit ALLEN aus der Produktion. Es lief nicht alles glatt… Schlafmangel war angesagt und die Proben waren wirklich anstrengend, aber als wir den ersten Durchlauf gespielt hatten, war es allen klar. Das hier wird eine wilde Show.

Dann kam Corona… Die Schule wurde geschlossen… Wir durften nicht proben… Die Kostüme wurden weggepackt, die Lieder nur alleine zuhause gehört.

Nachdem das Stück verschoben und wieder abgesagt worden war, war die Hoffnung klein und die Herzen waren schwer. Das erste Planungs-Treffen am letzten Schultag wurde mit zögerlicher Vorfreude angegangen. Jeder hatte Angst, Hoffnung zu haben und dann doch enttäuscht zu werden. Als die rettende Nachricht kam, dass wir trotz Corona, durch die Stadt finanziert, im King auftreten durften, war die Freude riesengroß. Das Musical überhaupt aufführen zu dürfen und dann auch noch im King – auf einer Riesen-Bühne, was für eine Sensation!

Wir stürzten uns in die Proben. Die letzte Ferienwoche wurde komplett geprobt – danach jeden Montag, Mittwoch und Samstag / Sonntag. In unseren Köpfen liefen ständig nur Choreos, Texte und Musicallieder ab. Jeder Satz gab einen mentalen Anstoß zu einer Musical Line. Fleißig wurden Spendenboxen wie Basketbälle bemalt, Requisiten und Kostüme gebastelt. Programmhefttexte wurden geschrieben, in den Freistunden – und manchmal auch während Bio…

Die Show stand kurz bevor und wir konnten es kaum glauben. Jeder Tag näher an der Show – ohne Corona-Lockdown – war wie ein Geschenk. Ab Donnerstag in der Woche vor der ersten Show startete die Endprobenphase. Jeden Tag verbrachten wir nun gemeinsam in der Aula oder Mensa. Von morgens bis spät abends waren wir am Proben.

Das Musical wurde wahr.

Die Band war in den Proben dabei und wir waren in Kostümen und spielten uns die Seelen aus dem Leib. Es gab kaum Proben, an denen wir nicht noch länger bleiben wollten. Die Grünflache vor der Aula wurde unser Stammplatz. Unsere Generalprobe lief natürlich nicht wie geplant…, aber wann passiert das schon mal…?

Mit Schminke war nicht nur der ein oder andere überfragt und die Technik wollte auch nicht wie wir. Die Nerven waren angespannt und es wurde eine Spezi nach der anderen geleert.

Doch nun zum Kern: Der Tag der Premiere war endlich da. In der Schule konnte sich eh keiner konzentrieren…, dann kam die Technik. Wir hatten am Tag vorher schon Probleme und dann mussten wir ganz spontan Techniker wechseln… Eine vorprogrammierte Krise? Ihr kennt nicht Kevin, Sven, Tim und Timo…, die Technik lief wie geschmiert und nun war tatsächlich nur noch die Aufregung unser größtes Problem.

So schnell, wie alles angefangen hatte, war der erste Akt in einem Augenblick vorbei. Wir wussten nicht, wie uns geschah. Es war magisch, aufregend und wunderbar zugleich. Wir sangen, tanzten und schauspielerten.

Nicht wenige haben ihr Herz auf dieser Bühne gelassen. Nach der Premiere wurde gefeiert. Unser Traum war wahr geworden. Wir hatten dieses Musical, an dem wir 1 1/2 Jahre gearbeitet hatten, auf die Bühne gebracht. Jeder Abend, jede Show, jede Szene und jedes Lied waren magisch. Ein Erlebnis, das uns keiner je wieder wird nehmen können.

Der Zusammenhalt, der entstanden ist, ist etwas ganz Besonderes. Selbst in der Woche danach können und wollen wir uns nicht voneinander lösen. Mehrfach in der Woche haben wir uns getroffen und Zeit miteinander verbracht.

Dieses Musical! Diese Menschen! Sie sind keine Castkollegen*innen oder Freund*innen geworden. Sie sind Familie.

Jule Justinger